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Statine – nicht immer die beste Wahl

Oft ist es ein Zufallsbefund im Rahmen eines Gesundheits-Checks: ein hoher Cholesterinspiegel. Dieser gilt zwar als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, kann aber lange unentdeckt bleiben, ohne konkrete Beschwerden auszulösen. Als Mittel der Wahl bei der Behandlung eines hohen Cholesterinspiegels gelten häufig Statine. Doch nicht alle Patientinnen und Patienten profitieren gleich gut davon.

Cholesterin und Statine

Cholesterin ist nicht per se schlecht, sondern ein wichtiger Baustein unserer Membranen. Es trägt dazu bei, dass unsere Zellmembranen stabil und „geschmeidig“ bleiben. Einen Teil unseres Cholesterins nehmen wir mit der Nahrung auf, vor allem mit Eiern, Butter, Fleisch und Fisch. Den Rest bildet unser Körper selbst. Und genau hier kommen die Statine ins Spiel. Sie hemmen einen zentralen Schritt in der Cholesterin-Bildung und senken so den Cholesterinspiegel.

Studien und offizielle Empfehlungen

Wer über den deutschen Tellerrand hinaus schaut, dem fallen im internationalen Vergleich große Unterschiede bei den offiziellen Empfehlungen zur Verordnung von Statinen auf. Ein Grund dafür ist die Studienlage, die weniger eindeutig ist, als man denken könnte.  

Den Nutzen von Statinen allein anhand des Cholesterinspiegels zu beurteilen, greift zu kurz. Die Frage ist vielmehr, ob sie die Gesundheit verbessern und welche Menschen überhaupt von ihnen profitieren. Gerade bei Studien mit Personen, die zwar einem erhöhten Cholesterinspiegel, aber noch keine Gefäßerkrankung haben (sog. Primärprävention), zeigt sich, dass eine sehr große Zahl von ihnen mit Statinen behandelt werden muss, um auch nur einen einzigen Herzinfarkt, Schlaganfall oder ein anderes herzkreislaufbedingtes („kardiovaskuläres“) Ereignis zu verhindern (hoher NNT = Number Needed to Treat). Noch schlechter sieht die Bilanz bei der Lebenserwartung (Gesamtmortalität) aus. Anders als man vermuten könnte, zeigen viele Studien keinerlei lebensverlängernde Wirkung von Statinen bei ansonsten gefäßgesunden Personen.

Wer profitiert besonders von Statinen, wer weniger?

Aus gutem Grund sehen die offiziellen Handlungsempfehlungen für Ärzte (Leitlinien) vor, sich bei der Entscheidung für oder gegen Statine nicht allein am Cholesterinwert zu orientieren, sondern sich vom individuellen kardiovaskulären Gesamtrisiko des jeweiligen Menschen leiten zu lassen. Daher sollten Statine nicht „reflexartig“ allein aufgrund eines erhöhten Cholesterinspiegels verschrieben werden – zumal sich in vielen Fällen mit einem Statin allein der offiziell empfohlene Cholesterinwert gar nicht erreichen lässt. 

Besonders stark von Statinen profitieren können 

  • Diabetiker
  • Menschen, die bereits eine Herz-Kreislauf-Erkrankung haben (sog. Sekundärprävention)
  • Menschen mit einem hohen persönlichen Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z.B. Übergewicht, ungesunde Ernährung, Rauchen, familiär bedingter hoher Cholesterinspiegel)

Kaum von Statinen profitieren hingegen

  • herzkreislauf-gesunde Menschen  
  • ältere Menschen (vor allem über 75-Jährige)
  • Menschen, die über den hohen Cholesterinspiegel hinaus keine erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben

Es kommt auf den Patienten an!

Wie bei jeder Therapie liegt es in der Verantwortung des Arztes, Nutzen und Risiken einer Behandlung sorgfältig für den jeweiligen Patienten abzuwägen. Das gilt selbstverständlich auch für Statine, die unter anderem den Energiestoffwechsel stören und immer wieder mit Muskelbeschwerden in Verbindung gebracht werden.  

Neben dem Alter, Vorerkrankungen und der regelmäßigen Einnahme anderer Medikamente sollte der Arzt den Lebensstil mit einbeziehen und seine Patientinnen und Patienten darüber aufklären, was er/sie selbst dazu beitragen kann, um seinen Cholesterinspiegel zu senken. Dazu gehören z.B. eventuell bestehendes Übergewicht zu reduzieren, sich gesund zu ernähren und nicht zu rauchen

Entsprechend wichtig ist uns die individuelle Aufklärung und Beratung unserer Patientinnen und Patienten in unserer Praxis! Sprechen Sie uns an!

Quelle

Thiemeier JH: Kardiovaskuläre Primärprävention mit Statinen – Welcher Nutzen ist zu erwarten? arznei-telegramm Jg. 54 Nr. 6 vom 09.06.2023

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